Das Inselkaufhaus

Wie Flammen im Wind

Erscheinungsdatum: 15.04.2025




Liebe, Intrigen & Ostseefeeling

»Ein Witt kämpft für seine Ziele.«

Hajo Witt genießt sein Leben. Er liebt seine Arbeit im Warenhaus Mengel, surft an den Hotspots auf Fehmarn und feiert den Sommer über am Strand mit seinen Freunden. Aus dem Chaos seiner Familie hält er sich weitestgehend raus, das hat er sich für seinen Seelenfrieden vor Jahren schon geschworen. Eines Tages kehrt jedoch seine große Liebe zurück auf die Insel, von der er niemals gedacht hätte, sie jemals wiederzusehen. Jess hat sich völlig verändert. Und Stück für Stück erkennt Hajo, dass es an der Zeit ist, sich endlich einzumischen.


Leseprobe

Sonnenstrahlen kitzelten Hajos Gesicht. Mit beiden Händen am Gabelbaum seines dunkelroten Segels, den Körper im Wind hängend, lenkte er sein Surfboard über die Wellen der Ostsee in Orth. Die Hüfte nach vorn, die Arme ausgestreckt, schnellte er an den Kitern vorbei. Windstärke fünf am Montagmorgen, der ideale Start in eine neue Juliwoche.

Das Glitzern der Wasseroberfläche zog ihn in seinen Bann und klärte seine Gedanken, während er darüber hinwegrauschte. Sattes, tiefdunkles Blau, auf dessen Oberfläche Sonnenstrahlen funkelten. Ein Blick darauf und alles, was ihn in den letzten Monaten beschäftigt hatte, geriet in den Hintergrund.

Der Streit mit seinen Geschwistern, weil sie Gerrit verdächtigten, gegen ihre Mutter zu agieren. Die Trennung ihrer Eltern und dass sein Vater ihn nicht ernst nahm. Dann Olivers Trauerfeier Ende März, die zwar schön und berührend gewesen war, ihn aber daran erinnerte, dass er einen guten Freund verloren hatte.

Die einzige Kombination, die dagegen half, war die Ostsee, der Wind in den Haaren und die Freiheit auf seinem Surfboard.

Um ihn herum spritzte das Wasser, als wollte es seinen Neoprenanzug erobern. Den Vorderfuß hielt er vor dem Mastfuß, den hinteren auf der Längsachse auf dem Schwertkasten, sein rotblaues Board parallel zum Ufer ausgerichtet. Die Böen trieben den Brackwassergeruch sowie den Duft von Gras und Schafen in seine Nase, während er am Deich vorbeiraste und ein Wendemanöver einleitete.

Kiter mit orange-blauen, schwarz-weißen und neongelben Lenkdrachen turnten um ihn herum. Auf den Wellen drehten sie Frontrolls, Backrolls und Loops wie ausgelassene Vögel. Hajo zog einen großen Bogen um die Übermütigen, die ihm gewissenlos in die Bahn rasten und sich über ihn amüsierten. Der Morgen war zu schön, um sich um das Revier zu batteln. Fehmarn war groß genug, damit jeder an den unterschiedlichen Surf- und Kitespots seinen Spaß bekam.

Noch ein paar Minuten Glückseligkeit, bevor er sich in den Arbeitsalltag stürzte, um mit Alex und Magnus seine neuen Ideen für die kommende Wintersaison zu besprechen.

Alles würde gut werden, er gab die Hoffnung nicht auf. Zu seinem Geburtstag versammelte er seine Familie an einem Tisch, dann klärten sich die Probleme auf einen Schlag.

Ein schwarzer Blitz kreuzte Hajos Fahrbahn und hätte ihn fast gerammt. Der Kiter raste wie ein Schnellzug an ihm vorbei. Vor Schreck fuhr Hajo zusammen. »He!«, rief er aus dem Affekt, wackelte, verlor den Halt und rutschte ins Wasser.

Fluchend griff er nach seinem Board und achtete darauf, dass es nicht ohne ihn davonglitt. Mehrere Augenblicke paddelte er auf der Stelle, suchte den Kiter. Nicht weit von ihm entfernt drehte er einen gefährlichen Loop. Die anderen auf dem Wasser und an Land jubelten ihm zu.

Hajos gute Laune verpuffte. Er schwamm um sein Board herum zum Mast und zog sein Segel über das Wasser, bis es quer zum Wind nach Luv zeigte. Ein Wasserstart bei dem Wellengang war nicht leicht, doch ein Witt gab sich nicht die Blöße und paddelte wie ein verletzter Hund an den Strand.

Und bei der Energie, die seine Wut gerade durch seine Adern jagte, hätte er Deiche versetzen können.

Er richtete sein Segel zum Board aus, der Wind hob es augenblicklich an. Er wartete die perfekte Sekunde ab, fasste den Gabelbaum und hob einen Fuß aus dem Wasser auf das Board. Mit den Böen im Rücken und ausgestreckten Armen stemmte er sich hoch in die Ausgangslage und surfte das restliche Stück zum Ufer.

An Land achtete er darauf, den Blick nicht über die Ostsee schweifen zu lassen, damit ihn der Kiter und sein hinterhältiges Fahrverhalten nicht den ganzen Tag in Gedanken verfolgten. Um ihn herum grasten Schafe auf dem Deich. Dazwischen hockten zwei junge Frauen in Neoprenanzügen vor bunten Kites, zu ihren Füßen lag ein braun-weißer Bernhardiner. Aus dem Augenwinkel bemerkte Hajo, wie sie sich über seinen Sturz amüsierten. Für gewöhnlich hätte er sie darauf angesprochen. Orth war eine Gegend, in der Windsurfer und Kiter friedlich das Wasser teilten.

Aber er hielt sich schon am letzten Zipfel seiner guten Laune fest und wollte sich den wunderbaren Start in die Arbeitswoche nicht weiter verderben.

Geschwind trennte er den Mast vom Board, den Gabelbaum vom Segel, halbierte, rollte und steckte alles zusammen, bis er die letzten Komponenten in seiner länglichen Tasche verstaut hatte. Diese schulterte er und nahm das Board unter einen Arm, um den Deich zu erklimmen.

»Netter Abgang, Surferboy.«

Unbeholfen fuhr Hajo herum. Welche der Frauen gesprochen hatte, war ihm entgangen. Die Blonde mit den schulterlangen Haaren hielt ihm kichernd beide Daumen entgegen. Der Bernhardiner hob wachsam den Kopf.

Eine kleine Pause verstrich, in der Hajo sich die passenden Worte zurechtlegte. Wenn er sofort sagte, was er dachte, endete dieses Gespräch nur im Streit.

Er nickte in Richtung Ostsee. »Euer Freund treibt ein gefährliches Spiel auf den Wellen. Das hätte ins Auge gehen können.« Er klang wie sein Vater, aber bei aller Surfliebe, Sicherheit ging vor. »Wir behandeln einander auf Fehmarn mit Respekt. Das solltet ihr nicht vergessen, wenn ihr auf dem Wasser seid.«

Die Blondine verzog spöttisch den Mund, während eisige Schärfe in ihren schönen Augen aufblitzte. »Was kann Diego dafür, dass du vom Surfboard fällst?« Sie kicherte über ihre eigenen Worte. Zum Glück verschluckte das Rauschen des Windes das meiste ihres Spotts.

Ihre Freundin dagegen richtete den Blick stoisch geradeaus, als wäre er es nicht wert, angesehen zu werden. Den Hund hielt sie an seinem Halsband fest, da er ständig in Hajos Richtung zerrte.

Er wollte weiter den Deich hinaufgehen, da schoss Erkenntnis wie ein eiskalter Strahl durch seinen Körper. Das Profil der anderen Frau. Feine kleine Nase, lange tiefschwarze Haare, rosa Wangen und zarte Lippen. Ein wunderschöner Mund, der ihm selbst aus dieser Entfernung bekannt vorkam.

 

Obwohl es einige Zeit her war, dass er sie geküsst hatte, diese Lippen erkannte er unter Tausenden.